Exlibris des Monats Mai 2024 – Gewinner im DEG-Wettbewerb 2024 „Bestes Exlibris“: Lembit Löhmus für Klaus Jürgen Tischer und Silvana Martignoni für Wolfgang Hönle

Die Teilnehmer an der Jahrestagung der Deutschen Exlibris-Gesellschaft 2024 in Neustadt an der Orla haben zwei Blätter stimmengleich zum „Besten Exlibris“ gewählt – deshalb werden diese beiden Bücherzeichen auch als „Exlibris des Monats Mai 2024“ vorgestellt.
In alphabetischer Abfolge der Künstlernamen soll zunächst ein Blick auf das Exlibris von Lembit Löhmus für Klaus Jürgen Tischer stehen.
Mit seiner brillanten Technik – gleich, ob in Holz-, Kupfer- oder Stahlstich ausgeführt – zählt der 1947 in Mustla geborene estländische Künstler zweifellos zu den führenden zeitgenössischen Exlibris-Stechern. Ob Landschaften, Pflanzen, Porträts oder wie in diesem Bücherzeichen: erotische Motive, jedes seiner Blätter „besticht“ durch höchste Virtuosität und extreme Feinheit.
Zwei von Pflanzen umrankte similare weibliche Akte präsentieren sich Rücken an Rücken, schön und selbstbewusst. Zwischen ihnen eines der schönsten, prachtvollsten Geschöpfe im Tierreich: ein Schmetterling (wohl ein Großer Fuchs), das Symbol für Schönheit und Freiheit, Transformation und Kreativität.
Löhmus ist zudem Medailleur und Briefmarken-Gestalter. Für die Sowjetunion und Kasachstan, Schweden, Lettland, Litauen und sein Heimatland Estland hat er mehr als 200 Briefmarken kreiert – und nicht zuletzt die nationale Seite der estnischen Euro-Münzen geschaffen, die die geografische Darstellung Estlands zeigt, womit er, mindestens in seinem Heimatland, buchstäblich allgegenwärtig sein dürfte. Vielfach ausgestellt und ausgezeichnet, umfasst das Exlibriswerk von Lembit Löhmus die für einen Stecher unglaubliche Anzahl von über 600 Arbeiten. Das 2023 entstandene Exlibris für Klaus Jürgen Tischer trägt die Opusnummer 605.
Mögen ihm noch viele weitere folgen!

Lembit Löhmus: Exlibris für Klaus Jürgen Tischer, 2023, Kupferstich, 55 x 70 mm

Das zweite Gewinnerblatt des DEG-Wettbewerbs 2024 ist Silvana Martignonis Exlibris für den Chemiker und Kunstsammler Wolfgang Hönle, der 2016 die Wolfgang Johannes Hönle – Stiftung Kunst und Chemie gründete, deren Motto der Maxim-Gorki-Spruch ist: „Die Wissenschaft ist der Verstand der Welt, die Kunst ihre Seele“. Neben vielem anderen gehören zu den Schwerpunkten seiner Kollektion Gemälde und Grafiken zur Alchemie, d. h. zu dem frühen Zweig der Naturphilosophie, aus dem sich im Zuge der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die heutige Wissenschaft der Chemie entwickelte.
Dem Exlibris zugrunde liegt ein Motiv von Johann Martin Schmidt (1718–1801), der damit (für Hönle) kurz vor der Aufklärung das Belegstück für die Darstellung des Alchemisten am Feuerherd geschaffen hat. Die Szene ist ins Freie verlagert (auch wenn ein Tier von einer imaginären Decke herabhängt). Der am Athanor, dem speziellen Ofentyp der Alchemisten, hantierende Protagonist mit der hohen Haube als Hitzeschutz ist umgeben von den typischen Untensilien der Alchemisten, aufgeschlagenem Naturkundebuch, Mörser und anderen Gefäßen sowie Totenschädel mit Knochen. Alles in allem eine Darstellungsweise, die sich 200 Jahre lang nicht grundsätzlich veränderte.
Hönle vergab seinen Auftrag an die italienische Brera-Absolventin Silvana Martignoni, die bereits eine Vielzahl herausragender Exlibris in der Mezzotintotechnik vorgelegt hat, u. a. weil ihm „die farblich zurückhaltenden floralen Motive ihrer Pflanzen und Blätter [gefielen]. So lag es nahe, sie um die Einbeziehung der Natur in die Szene zu bitten, zumal die Natur auch unser ganzes Leben bestimmt. Auch soll damit gezeigt werden, dass Alchemie keine Natur zerstören will.“*

* Hönle an Tauber, 1.5.2024; siehe auch Wolfgang Hönle (mit Katja Schoene): Warum sammelt ein Chemiker Kunst?, in: Alchemie. Magie oder Naturwissenschaft?, hg. von Michael Bischoff, Heiner Borggrefe, Vera Lüpkes und Michael Zelle, Lemgo 2022, S. 227–233.

(Henry Tauber)

Silvana Martignoni: Exlibris für Wolfgang Hönle, Der Alchemist nach einem Motiv von Johann Martin Schmidt, 2023, Radierung/Mezzotinto, 140 x 120 mm

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