Die zentrale Person des Exlibris, das Erhard Beitz im Jahr 2011 für seine Frau geschaffen hat, ist die bekannte Zeichentrick-Figur Donald Duck. Die sympathische, etwas chaotische Ente mit menschlichen Zügen kennen wir aus zahlreichen Trickfilmen und Comic-Heften, die dem US-amerikanischen Disney-Studio entstammen. In diesen Tagen feierte Donald Duck gerade seinen neunzigsten Geburtstag. Der erste Trickfilm mit ihm in einer Nebenrolle erschien im Juni 1934. Nachträglich alles Gute zum runden Ehrentag!
In dieser Grafik befindet sich Donald Duck nicht an seinem bekannten Wohnort Entenhausen, sondern in einer unbekannten Landschaft. Auch scheint er nicht auf dem Weg in die Sommerfrische. Denn seine marine Kopfbedeckung, die er fast nie abnimmt, hat er durch einen ungewöhnlichen, feudalen Hut getauscht.
Bekannt ist uns seine Fliege, die er mit seinem Marineanzug zu allen Anlässen trägt. Doch auch der Marineanzug scheint mit seinem Faltenwurf im Brustbereich aus einer anderen Zeit zu stammen. Donald zeigt uns sein prägnantes Profil und scheint kurz vor einem seiner Wutausbrüche zu stehen, die ihn als Choleriker auszeichnen. Seine linke Faust ist schon geballt, er scheint innerlich zu kochen und sein Blick wirkt zornig. Kritisch schaut er auf die Spitze seines Schnabels. Oder ist es seine Nase, die ihn irritiert?
In welchen Kontext stellt Beitz in diesem Exlibris die bekannte Ente? Sicher ist es keine Szene aus einem seiner Comic-Abenteuer. Die Landschaft im Hintergrund mit Hügeln, Wasserwegen mit Segelschiffen und Wehranlagen scheint einem Renaissance-Gemälde zu entstammen. Mit dieser Beobachtung sind wir schon auf dem richtigen Weg zur Enträtselung des Bildes. Erhard Beitz hat hier mit seinem bekannten Hang zu
humorvollen Darstellungen ein Renaissance-Bild verfremdet und damit aktualisiert. Die Idee zur Komposition zu diesem Exlibris entlieh Beitz dem Gemälde von Piero della Francesca (1410-1492), in dem der Renaissance-Künstler den Herzog von Urbino, Federico da Montefeltro (1422-1482), porträtierte. Dieses Porträt, das heute in den Uffizien in Florenz hängt und Montefeltro im Profil zeigt, ist eines der bekanntesten Gemälde des 15. Jahrhunderts. Der Herzog von Urbino war einer der bedeutendsten Renaissance-Fürsten. Politisch hat Federico da Montefeltro zwar keine Spuren hinterlassen, aber sein künstlerischer Nachlass beeindruckt bis heute. Zeitgenossen erschien er als „lume della Italia“, als die Leuchte Italiens. Dass man sich heute, mehr als 600 Jahre nach seiner Geburt, an Federico erinnert, hängt vor allem mit seinem Wirken im kulturellen Bereich zusammen. Der Herzog von Urbino verstand es, Profit aus Söldnerdiensten zu schlagen und mit den beträchtlichen Einnahmen nicht nur sein Territorium zu konsolidieren, sondern sich auch als Diener der Musen und Friedensfreund zu stilisieren. Der Palazzo Ducale in Urbino ist bis heute ein Zeugnis seines humanistischen Wirkens.
Durch das Gemälde von Piero della Francesca wurde die Nase von Montefeltro wohl die berühmteste Nase Italiens. Die Deformationen in seinem Gesicht waren die Folgen eines Turnierunfalls im Jahr 1451, bei dem er nicht nur das rechte Auge, sondern auch einen großen Teil seiner Nasenwurzel einbüßte. Die naturalistische Darstellung Montefeltros in dem späteren Porträt von Piero della Francesca machte sein Profil von der linken Seite mit dem verformten Nasenprofil zu einem einzigartigen Erkennungsmerkmal des Herzogs von Urbino.
Diesen Kontext greift Erhard Beitz auf und stellt Donald Duck in die Rolle des Renaissance-Herzogs. Donald betrachtet also kritisch seine Nase. Die Landschaft im Hintergrund sowie die Kopfbedeckung und Kleidung des bekannten Erpels ist dem Gemälde von Piero della Francesca entlehnt.
Dieses Exlibris, das ein bekanntes Gemälde humoristisch verfremdet, steht im Werk von Erhard Beitz in einer Serie, in der er berühmte Bilder in seinem Stil interpretiert. So hat er René Magritte, Salvador Dalí, Arnold Böcklin und auch Sandro Botticelli, Leonardo da Vinci, Raffael und eben Piero della Francesca in seiner typischen Ausdrucksart verfremdet. Es bereitet ihm große Freude in die Werke der berühmten Künstlerkollegen seine humorvolle Sicht einzubringen.
Die vielfältige Formensprache in den Grafiken von Erhard Beitz ist immer von Humor, Witz und Ironie geprägt. In vielen seiner Arbeiten, die als Ätzradierung angelegt sind, bearbeitet er im letzten Stadium die Platte noch direkt mit Sticheln oder punktiert sie mit feinen Nägeln oder Stiften. Diese Arbeitsweise ist sehr gut in diesem Exlibris zu erkennen. Also, alles in allem ist dieses Exlibris ein typischer Beitz.
(Siegfried Bresler)
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