Exlibris des Monats Dezember 2023 – Erich Büttner für Albert Einstein

Das ausgewählte Exlibris des Monats Dezember 2023 ist ein berühmtes Blatt, das ein bemerkenswerter Künstler im Kriegsjahr 1917 für einen hochprominenten Eigner geschaffen hat. Das Bücherzeichen stammt von dem expressionistischen Künstler Erich Büttner, der Mitglied des Berliner Sezession war, während des Ersten Weltkriegs in der Kartenabteilung des Generalstabs in Berlin arbeitete, wo auch Albert Einstein tätig war und die beiden sich anfreundeten. Büttner fertigte mehrere Porträts von Einstein an und u. a. auch dieses Exlibris (WVZ 25). Es ähnelt einem Blatt (WVZ 28) aus demselben Jahr 1917, das Büttner so beschreibt: „Ein Kindlein zeigt dem Menschen strahlende Sterne.“ In seinem 1921 von ihm selbst veröffentlichten Werkverzeichnis ergänzt er dazu: „(Als Einstein-Exlibris angefangen. Durch Nr. 25 überholt.)“ In das ursprünglich für Einstein gedachte Blatt fügte Büttner demnach seinen eigenen Namen ein, es wurde in der Entstehungsfolge sein siebtes Eigenexlibris. Die berühmt gewordene, hier abgebildete Opus-Nr. 25 ist keineswegs ein Pseudo-Exlibris, vielmehr war es von Elsa Löwenthal geb. Einstein, einer Cousine des Physikers, die er als seine zweite Frau 1919 auch heiratete, bei Büttner bestellt worden, es war also eine Auftragsarbeit. Büttners Bildbeschreibung lautet: „Auf einem Steine [z. T. redendes Exlibris] steht der Mensch umbrandet von Kräften und Sternen.“ Es wurde das Bücherzeichen, das Einstein tatsächlich allgemein gebrauchte.

Im Jahr der Publikation des Büttner-Buchs (dem ersten von zwei Bänden) 1921 wurde Einstein, der damals als bedeutendster Wissenschaftler der Welt galt und seit 1910 etwa sechzigmal (!) für den Nobelpreis vorgeschlagen worden war, endlich die weltweit wichtigste Auszeichnung für Physik zuerkannt (er konnte sie allerdings erst ein Jahr später in Empfang nehmen), übrigens nicht für seine beiden Relativitätstheorien, sondern für seine Erklärung des fotoelektrischen Effekts. 1917, im Entstehungsjahr des Exlibris, begründete Einstein zudem die relativistische Kosmologie. All dies Theorien und Hypothesen, mit denen er das Bild des Menschen von der Welt revolutioniert hat. Vor diesem Hintergrund wird das Dargestellte in Büttners Exlibris plausibler, um mit Bräuer zu sprechen: „[…] hat der Künstler einen Menschen gewählt, der auf einem steil in den Himmel ragenden Felsen steht, den Sterne und Energien umkreisen. Die erhobenen Arme deuten darauf, daß der Mensch sich geistig von der Erde mit ihren irdischen Gesetzen frei gemacht hat und mit den Händen in den Weltraum greift.“

Bei einem Zusammentreffen von Albert Einstein mit Charlie Chaplin soll es folgenden Wortlaut gegeben haben: Einstein zu Chaplin: „What I admire most about your art, is its universality. You do not say a word, and yet … the world understands you!” Darauf Chaplin zu Einstein: “It’s true, but your fame is even greater! The world admires you, when nobody understands you!”

Jedenfalls nutzte Einstein seine globale Reputation als führender Wissenschaftler nicht nur zur Erweiterung des menschlichen Horizonts, sondern setzte sich sozusagen als moralische Instanz vehement für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Völkerverständigung ein.

„Solange es Kriege gibt“, schrieb er, „sehen sich Menschen genötigt, alle, auch die verabscheuungswürdigsten Mittel [vorzubereiten], um im allgemeinen Wettrüsten nicht überflügelt zu werden […] Unter diesen Umständen hat die Bekämpfung der Mittel keine Aussicht auf Erfolg. Nur die radikale Abschaffung der Kriege und der Kriegsgefahr kann helfen.“ Noch in seinem Todesjahr 1955 unterzeichnete er die Russell-Einstein-Erklärung über die Folgen eines Einsatzes von Nuklearwaffen, worin es u. a. heißt: „Erinnere Dich Deiner Menschlichkeit, und vergiss alles andere.“
Jürgen Scheffran weist nachdrücklich darauf hin, dass sich Einstein bewusst war, dass der triumphale Siegeszug der Wissenschaft Grenzen hat und dem Friedenspostulat genügen muss: ´Die Entwicklung der Technik in unserer Zeit aber macht dieses ethische Postulat zu einer Existenzfrage für die heute zivilisierte Menschheit und die aktive Teilnahme an der Lösung des Friedensproblems zu einer Gewissenssache, der Verantwortung kann kein moralisch bewusster Mensch ausweichen.´“

Zur Untermauerung seiner moralischen Integrität hier nur einige wenige von zahlreichen einschlägigen Einstein-Zitaten:
„Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
„Was mich erschreckt, ist nicht die Zerstörungskraft der Bombe, sondern die Explosionskraft des menschlichen Herzens zum Bösen.“
„Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren.“
„Die Rüstungsindustrie ist eine der größten Gefährdungen der Menschheit.“
„Es ist einfacher, radioaktives Plutonium zu entsorgen als das Böse im Menschen.

Niemand ist so naiv und glaubt, dass die Welt von heute auf morgen in Frieden leben wird, aber schaden kann es nicht, am Ende dieses durch schreckliche Kriege und grausame Gewaltverbrechen geprägten Jahres – sei es durch die Betrachtung eines kleinen Kunstwerks, wie es Büttners Exlibris für Einstein ist – über das Streben nach Frieden nachzudenken und sich für den Frieden einzusetzen.

(Henry Tauber)

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Quellen/Literatur:
Erich Büttner: Exlibris. Erlebnisse und Erfahrungen. Ein Verzeichnis und 75 Exlibris von den Originalplatten, Berlin 1921.
Walter von Zur Westen: Erich Büttners Exlibris, Erlebnisse und Erfahrungen, in: Mitteilungen des Vereins für Exlibriskunst & Gebrauchsgraphik e.V. zu Berlin, 1921, Heft 2, S. 74–76.
Arthur Bräuer: Albert Einstein und sein Exlibris von Erich Büttner, in: DEG-Jahrbuch 1967, S. 11 f.
Wolfgang Hönle: Albert Einstein zum 135. Geburtstag – Bemerkungen zu seinem Exlibris von Erich Büttner, in: DEG-Mitteilungen, 2014–1, S. 25 f.
Jürgen Scheffran: Einsteins Dilemma und sterben. Verantwortung der Wissenschaft, in: Wissenschaft und Frieden 2005-3. https://www.researchgate.net/publication/316342578_Einsteins_Dilemma_und_die_Verantwortung_der_Wissenschaft [abgerufen am 18.10.2023].
https://www.studysmarter.de/magazine/albert-einstein-zitate/ [abgerufen am 18.10.2023].

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