Wenn man keinen Hund hat, kommt man nicht auf den Gedanken, dass der April für Hunde ein etwas schwieriger Monat sein kann, weiß man doch wenig über Anleinbestimmungen für Hunde, die sowieso nicht bundeseinheitlich, sondern länder- bzw. kommunalspezifisch geregelt sind. Auf jeden Fall haben Hunde im April an manchen Orten einige weitergehende Anleinvorschriften als sonst, die in Zusammenhang mit der Brut- und Setzzeit von Vögeln und Wild stehen. Außerdem sehen sie ihre menschlichen Besitzer meist in und nach der Osterzeit viel Schokolade essen, deren Genuss ihnen mit dem Hinweis, dass das nicht gesund für sie sei, (zu Recht) verboten wird. Ob sie diese Argumente verstehen, weiß ich nicht, aber der Hund in Erich Kästners Gedicht „Ein Hund hält Reden“ würde sie verstehen, vielleicht jedoch nicht billigen. Denn er klärt den Autor eindeutig über die tierische Sprechfähigkeit auf: „Wir können sprechen.“ Und: Er nennt „Kästner“, wie er den schon zur Entstehungszeit des Gedichts bekannten Dichter respektlos und unhöflich, fast schon arrogant, anredet, auch den Grund, warum er und seinesgleichen diese Fähigkeit nicht nutzen: „Das ist doch klar? Der Mensch ist es nicht wert, dass man gesellschaftlich mit ihm verkehrt.“

Aber lesen Sie das Gedicht Erich Kästners, an den wir in diesem Jahr aufgrund seines 50-jährigen Todestags häufig erinnert wurden, selbst. Es ist witzig, aber sicherlich gehört es nicht zu der Gruppe seiner besonders gesellschafts- und zivilisationskritischen Werke. Eher ist es ein Scherz, vielleicht ein trauriger Scherz, vielleicht sogar ein Aprilscherz, den seine eigene Phantasie ihm macht, denn das interessante Gespräch führt der Autor nur im Traum. Und dort spricht der Hund zunächst Spanisch und wird deswegen vom nicht so polyglotten träumenden Dichter schlecht verstanden. Dieser ist im Gespräch – immerhin ein wortreicher Schriftsteller – nicht nur recht wortkarg, sondern auch verlegen und lässt die Beschuldigungen des Hundes unwidersprochen und wendet auch nichts dagegen ein, dass der Hund verächtlich „sein Bein“ hebt (man weiß ja, was das bedeutet) und ihn dann stehen lässt.

Warum der Mensch es nicht wert ist, mit ihm zu verkehren, wird nicht explizit erklärt, aber das verächtliche Verhalten des Hundes macht deutlich, dass das auf der Hand liegt, und auch der träumende „Kästner“ weiß es, ist er doch „verlegen wie noch nie“. Die Entstehungszeit des Gedichts ist 1929; aber wenn man das Gedicht allein darauf bezieht, greift man definitiv zu kurz. Oder sprechen die Hunde inzwischen mit uns?!

Wie Kästners Gedicht macht auch Voigtmanns Exlibris auf den ersten Blick vor allem Spaß. Man sieht zwei Wesen, die man sofort als Geschöpfe Kay Voigtmanns erkennt, sonst – oder deshalb –allerdings nicht genauer bestimmen kann. Tiere sind es nicht, Menschen sind es auch nicht, sondern nicht kategorisierbare Mischwesen ­– dass diese männlich sind, lässt sich allerdings nicht bestreiten – in seriöser und formeller Kleidung und mit menschlichen Statussymbolen wie einer Krawatte, einer Fliege, einem Monokel oder einem Buch oder Kalender in der Hand. Sie begegnen sich wichtigtuerisch, wohl bei einer gesellschaftlichen Abendveranstaltung. Sie tun genau das, was Kästners geträumter Hund nicht tun möchte: sie verkehren gesellschaftlich miteinander, indem sie plaudernd beieinanderstehen und sich Rauch, heiße Luft also, ins Gesicht blasen. Dass Menschen tierische Züge annehmen, ist bei Voigtmann durchaus häufig, das Umgekehrte tut er seinen Tiergestalten nicht an. Deswegen lässt sich vermuten, dass der traurig unten sitzende kleine Hund, also die dritte Figur des Bildes, Kästners sprechenden Hund darstellt, der den gesellschaftlichen Verkehr seiner menschlichen Mitwesen irritiert, verstört und traurig belauscht, sich von ihrer heißen Luft, also ihren Übertreibungen, Eitelkeiten, Schönfärbereien und Unwahrheiten abwendet. Ich glaube, dass jeder von uns sich vorstellen kann, worüber diese beiden Wesen miteinander sprechen bzw. womit sie protzen, während der arme Hund nur noch „seine Schnauze halten“ kann. Und wer das Kästner’sche Gedicht kennt, weiß warum.

(Ulrike Ladnar)

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