Er war einer der letzten gelernten Xylografen Deutschlands, der DEG fast vier Jahrzehnte lang eng verbunden als wortreicher und hartnäckiger Fürsprecher des Hochdrucks. Nun ist Rudolf Rieß am 12. Januar 2020 in seinem 85. Lebensjahr verstorben.
Geboren am 2. Juni 1935 in Nürnberg, der fränkischen Metropole mit so großer grafischer Tradition, die von Dürer über die Behams, Pencz, Stoß, Wolgemut, Schäufelein bis zu Rudolf Schiestl, Scherzer und Herbert Ott reicht, ging Rieß ab 1949 in seiner Heimatstadt für 3 ½ Jahre bei dem Xylografenmeister Andreas Schwarz in die Lehre und machte bei ihm eine Ausbildung im technischen Holzstich, wechselte dann nach Stuttgart in das Verlagshaus Theodor Körner, wo er u.a. mit Willi Seidl und Kurt Wiedemann zusammenarbeitete, bevor ihn berufliche Stationen als Xylograf, Graveur und Chemigraf über Flensburg, Frankfurt, Flandern, Salzburg und Hamburg nach München führten, in die damals größte Wertpapierdruckerei der Welt, die Firma Giesecke & Devrient, wo er in der Wertpapier- und Banknotenherstellung arbeitete, etwa eine Aktie stach oder aufwändige Wasserzeichengravuren herstellte.
1969 kehrte Rieß nach Nürnberg zurück und absolvierte noch ein viersemestriges Studium an der Polygraphischen Fachschule. Sodann arbeitete er als Werbegrafiker und machte sich schließlich 1979 selbstständig. 1986 mietete er sich in einem frisch restaurierten 500 Jahre alten Patrizierhaus ein und betrieb fortan, im Erdgeschoss der Schlehenstraße 15, unweit des Germanischen Museums und des Dürerhauses, die „Offizin Rudolf Rieß“. Rieß war vor allem Holzschneider und Holzstecher, aber auch Kupferstecher und Radierer, Graveur, Typograf und Kalligraf. Auf zwei alten Druckpressen und unter Zuhilfenahme von Schriftlettern aus seinem eigenen riesigen Sortiment schuf er zahlreiche Exlibris, Gelegenheitsgrafiken und auch freie Grafiken, wobei sein Spezialgebiet die Architektur war und blieb. Seine Blätter zeichnen sich durch einen kraftvollen, prononcierten Stil aus und sind meist bildhaft und detailgetreu gearbeitet.
Sein Wunsch, dass Sofya Vorontsova seine Offizin eines Tages übernehmen würde, ging u.a. durch den allzu frühen Tod der russischen Künstlerin nicht in Erfüllung. Aber ebenso wie diese wird auch Rudolf Rieß dank seines großen grafischen Werkes, nicht nur in der Exlibriswelt, unvergessen bleiben.
(Henry Tauber)