Nachdem der für 2020 in London geplante 38. FISAE-Kongress wegen der Covid-Pandemie abgesagt werden musste, erhielt auf dem folgenden FISAE-Treffen 2022 in San Francisco, das aus vielerlei Gründen relativ schwach besucht war (u. a. konnten/durften bekanntlich die zahlreich erwarteten Chinesen nicht anreisen), den Austragungszuschlag der Katalanische Exlibris-Verband, Ort des Geschehens wurde Palma, die quirlige Inselhauptstadt von Mallorca.
Eine Metropole, die viele bedeutende und außerordentlich schöne Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Landschaftlich natürlich das Mittelmeer und kulturell neben und innerhalb der pittoresken Altstadt ganz herausragende Museen und Kirchen. Das bedeutete für die Kongressteilnehmer bezüglich der Besuchsmöglichkeiten die Qual der Wahl. Da ist etwa die wunderbare Kathedrale mit dem berühmten „Gotischen Auge“, der größten Rosette in der gotischen Welt, und mit den umwälzenden Erweiterungen des bedeutenden Architekten Antoni Gaudí, eines der Hauptvertreter des katalanischen Modernisme, des katalanischen Jugendstils.
Zum Ausflugsprogramm gehörte u. a. eine Besichtigung der Stiftung Pilar und Joan Miró, die einen beeindruckenden Überblick über das Werk Mirós präsentiert, der seit 1956 bis zu seinem Tod 1983 auf Mallorca lebte und neben Picasso und Dalí zu den bekanntesten Künstlern Spaniens im 20. Jahrhundert zählte. Ferner gehörten Besuche einer Ausstellung des Exlibriswerks Alexandre de Riquers und einer Exposition von Zeichnungen und Grafiken Alfred Cossmanns zum kulturellen Begleitprogramm. Abgesehen von möglichen Abstechern nach Sóller und der Bucht Sa Calobra samt Schlucht des Torrent de Pareis oder des Bergdorfs Valldemossa …
Doch die „Hauptsache(n)“ spielten sich natürlich im Kongresshotel Alua Leo in Ca’n Pastilla an der Bucht von Bahia de Palma ab. Angereist waren 111 Teilnehmer aus insgesamt 22 Ländern. Und so gab es ein Wiedersehen mit alten Freunden, Kontaktgespräche zwischen Künstlern und Auftraggebern, Kaufverhandlungen zwischen Händlern und Liebhabern und – wie immer – es wurde überaus fleißig getauscht, und die neu erworbenen und eingetauschten Grafiken wanderten in die Mappen der Sammler. Oder in die mit schönen Büchern und Broschüren schon reich bestückte Tagungstasche: darin u. a. der Wettbewerbskatalog; eine Broschüre über Alexandre de Riquer, einen der Klassiker des katalanischen Modernisme; ein Werk zur „Annäherung an die balearischen Exlibris vom 15. bis 21. Jahrhundert“; und ein Buch über mallorquinische Exlibris in der berühmten, mehr als 80.000 Bände umfassenden Palastbibliothek von Peralada in der nordost-spanischen Provinz Girona.
Zu den Höhepunkten der Tagung zählte die Ausstellung einer Auswahl aktueller Arbeiten von mehr als 250 Künstlern, die sich mit über 550 Bücherzeichen am Internationalen Exlibris-Wettbewerb beteiligt hatten, der dieses Mal unter dem Motto „Exlibris für den Frieden“ stand. Gewinner des renommierten Wettbewerbs wurde der 1996 in Longnan geborene chinesische Künstler Li Yifang.
Wichtige zukunftsorientierte Entscheidungen wurden auf der Delegiertenversammlung getroffen. Eine Änderung in den Statuten der FISAE, zu der ursprünglich nur Exlibris-Vereinigungen gehörten, ermöglicht nunmehr auch die Aufnahme von Organisationen und Institutionen, zu deren Interessensschwerpunkten das Exlibris zählt. Daraufhin wurde die Jordan Petkov Art Foundation in Varna neu in die FISAE aufgenommen.
Die bulgarische Stiftung bewarb sich sodann auch um die Ausrichtung des 41. FISAE-Kongresses 2026 – was parallel auch die Griechische Exlibris-Gesellschaft tat, sodass es zu einer Abstimmung zwischen Varna und Athen kam, die sehr knapp zugunsten von Varna ausging. Dieses Jahr Mittelmeer, nächstes Jahr also Schwarzes Meer. Leider konnte Griechenland seine Bewerbung nicht für 2028 aufrechterhalten. 2028 bleibt somit vorerst vakant.
Zur neuen FISAE-Präsidentin wurde die Inhaberin der Largo Art Gallery und Direktorin der Jordan-Petkov-Kunst-Stiftung sowie des Internationalen Exlibris-Wettbewerbs in Varna, Nelly Valcheva, gewählt – nach Dagmar Novacek (1972–1974 / Bled (Jugoslawien)) die zweite Frau, die in der fast sechzigjährigen FISAE-Geschichte an der Spitze des internationalen Exlibris-Dachverbandes steht. Erster Vizepräsident wird der Organisator von Palma, Mariano Casas Hierro, Zweiter Vizepräsident der Organisator von San Francisco, James Keenan.
Die Delegiertenversammlung hat ferner beschlossen, als neues Kürzel AIGD (Artificial Intelligence Generated Design) in die Liste der Abkürzungen von Exlibris-Techniken aufzunehmen.
Höchst bedeutsam für den Fortbestand der FISAE war zudem die Bereitschaft von Olli Ylonen, der zuletzt angekündigt hatte, nicht mehr als FISAE-Sekretär kandidieren zu wollen, sein Amt nun gleichfalls noch bis 2026 weiter auszuüben.
Unvergesslich wird den Teilnehmern wohl der Abschlussabend bleiben: im TABANA Grill & Nightlife, einem Mix aus Restaurant, Bar, Nachtclub, Show mit akrobatischen, tänzerischen und (vor allem lauten) musikalischen Elementen, lebhaft, lebendig, dynamisch – alles in allem offensichtlich ein Inbegriff mallorquinischer Vitalität und Lebensenergie.
Herzlichen Dank an Mariano Casas Hierro und sein Organisationsteam für den schönen Kongress! Wir sehen uns wieder 2026 in Varna!
(Henry Tauber)